Vereinsausflug ans Hagneckdelta | 12.09.21

Das Hagneckdelta am Bielersee ist eines der attraktivsten Gebiete der Schweiz, um Limikolen und Wasservögel zu beobachten. Unmittelbar bei der Mündung des Hagneckkanals in den Bielersee steht ein mo­dernes und mehrfach prämiertes Wasserkraftwerk, das 2015 eröffnet wurde. Das alte Kraftwerk wurde grossflächig saniert und modernisiert. Es steht mitten in einer sensiblen Auenlandschaft, auf die bei der Neugestaltung des Kraftwerks entsprechend Wert gelegt wurde. Der zwar grosse, aber trotzdem zurückhaltende Bau wurde optisch sorgfältig in die Landschaft eingebunden. Seine Umgebung wurde renaturiert und ökologisch aufgewertet. Der Bau ist ein Exempel dafür, wie heimische, effiziente Energieproduktion und Umweltverträglichkeit Hand in Hand gehen können. 

Wir sind insgesamt 16 Erwachsene und 4 Kinder, die sich um 10:00 Uhr beim Parkplatz des Restaurants Brücke in Hagneck treffen. Zusammen spazieren wir den letzten Abschnitt des Hagneckkanals entlang und geniessen das tolle Wetter und die schöne Aussicht. Beim Kraftwerk angekommen, sehen wir uns die Anlage aus der Nähe genauer an. Uns fallen besonders die ökologisch aufgewerteten Landschaftselemente auf. So gibt es beispielsweise eine neuartige, grosse Umgehungsrinne für Fische, die im Vergleich mit herkömmlichen Fischtreppen fischfreundlicher sein soll. Das Kraftwerk steht an einem beliebten Fahrradweg, der am Südufer des Bielersees entlangführt. Die Menge an vorbeifahrenden Velos ist wirklich beachtlich, gemütliches Spazieren und Vögel schauen, ist auf der Anlage selbst kaum möglich – zumindest nicht an einem goldenen Herbstsonntag. Wir gehen etwas weiter und picknicken direkt am Ufer, wo es deutlich ruhiger zu und her geht. Vor uns liegt die flache Insel, die durch den Neubau der Anlage entstanden ist. Auf dieser Insel tummeln sich zu dieser Jahreszeit normalerweise diverse Limikolenarten. Und tatsächlich, wir entdecken bald Alpenstrandläufer, Sand- und Flussregenpfeifer. Wir können die drei Arten gut beobachten, sind aber trotzdem sowohl ab der Menge an Vögeln (6 Alpis, 3 Sandregenpfeifer und 2 Flussregenpfeifer), als auch ab Menge an Arten etwas enttäuscht. Der Grund für die eher bescheidene Ausbeute ist bald gefunden. Die Insel wird rege betreten, obwohl ein Schild am Ufer dies verbietet. Es landen Gummiboote am Inselstrand und es rennen gar freilaufende Hunde über die Kiesflächen. Das Problem liegt aber nicht einfach in einigen ungehorsamen Freizeitsuchenden, sondern es ist deutlich vielschichtiger. Die Insel entstand erst im Rahmen des Neubaus und der Neugestaltung der Umgebung. So grossartig das neue Wasserkraftwerk auch ist, so grob der Fehler, dass die neu entstandene Insel nicht ausgeschieden wurde. Da vorher nur Wasser da war, ist die Insel «Niemandsland» und mutet schon fast anarchistisch an: die Insel gehört keiner der angrenzenden Gemeinden, da sie offiziell gar nicht existiert. Obwohl der Kanton Bern daran interessiert ist, dass die Insel nicht betreten wird und der schützenswerten Natur Rechnung getragen wird, hat er keine Handhabe, etwas dagegen zu unternehmen. Und dies, obwohl sich die Insel in einem Wasser- und Zugvogelreservat von nationaler Bedeutung (WZVV) befindet. Zwar schickt er regelmässig Ranger und Wildhüter vorbei, die Leute wegzuschicken versuchen, allerdings dürfen diese nicht mehr machen, als die entsprechenden Personen auf die Problematik hinzuweisen und freundlich zu bitten, das Gelände zu verlassen. Wäre die Insel ausgeschieden und stünde offiziell unter Schutz, könnten die Gebietsverantwortlichen saftige Bussen aussprechen, die sich niemand mehrmals leisten möchte, indem sie Fehlbare verzeigten. 

Es laufen nun Bemühungen von BirdLife Schweiz und des Kantons Bern, die Insel in einer Revision in das WZVV aufzunehmen und mit Hides für eine verträgliche Besucherlenkung zu sorgen, welche ungestörte Naturbeobachtungen ermöglichen soll. Aus unserer Sicht ist dies auf jeden Fall wünschenswert. Es gibt so viele Flächen in der dicht besiedelten Schweiz, auf die durch die zunehmende Bevölkerung und deren Freizeitaktivitäten stets grösseren Druck ausgeübt wird. Schön, wenn es Gebiete gibt, die davor bewahrt werden und der Natur der entsprechende Platz eingeräumt wird. 

Insgesamt verlassen wir das Hagneckdelta nach diesem schönen Herbsttag also mit etwas gemischten Gefühlen. Einerseits ist es toll, wie viel Wert heutzutage in einer Kraftwerkerneuerung auf die Landschaft und die Natur gelegt wird und gleichzeitig durch technologische Neuerungen die Produktivität gesteigert werden kann. Und anderseits erlebten wir am eigenen Leib, was Menschen in grosser Masse mit ihren Freizeitaktivitäten in einem schützenswerten Gebiet ausrichten können…