Das Birdrace ist ein jährlich von BirdLife Schweiz organisierter Anlass, bei dem 3er- oder 4er-Teams 24 Stunden Zeit haben, um möglichst viele Vogelarten zu sehen. Sie können sich dabei auf freiwählbaren Routen mit ÖV oder per Muskelkraft durch die ganze Schweiz (und das Österreicher Rheindelta) bewegen. Die Teams suchen Sponsoren, die für jede gesehene Vogelart einen bestimmten Betrag spenden, der Erlös kommt jährlich einem anderen Naturschutzprojekt zu Gute. Dieses Jahr nahmen 38 Teams aus der ganzen Schweiz am Birdrace teil, die einen neuen Spendenrekord von fast CHF 100’000.- (!) für die Kiebitzförderung in der Schweiz zusammentrugen.
Das Team Crex Crex (normalerweise mit Lucas Lombardo, Lukas Leuenberger, Patrik Wyss und Peter Jäggi) bestehend aus drei Vorstandsmitgliedern und einem Vereinsmitglied des NVVH nimmt seit 17 Jahren am Birdrace teil und konnte den Anlass 2016 mit 135 gesehenen Arten gewinnen. Seit vielen Jahren nimmt neben den Crexlern aber meist noch ein weiteres Team aus Härkingen am Vogelevent teil (Helena, Victoria und Jermias Jäggi oder auch Jonas von Burg haben alle schon etliche Male mitgemacht). In diesem Jahr war Jonas von Burg (Beisitzer im Vorstand des NVVH) mit dem Team «Da gibt’s noch ein Nicht-FOK’ler!» unterwegs und beobachtete 75 Arten. Unterstützt werden die Härkinger Teams jeweils sehr grosszügig von der Härkinger Bürgermeinde, die für jedes Team CHF 5.- pro gesehene Vogelart spenden. Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle an die Bürgergemeinde, die mit ihrer Spende unseren Einsatz in einen zählbaren Ertrag für die Natur ummünzen.
Nachfolgend ist ein ausführlicher Bericht über das Birdrace 2019 des Teams Crex Crex zu finden, die den Anlass in diesem Jahr mit 133 gesehenen Arten zum zweiten Mal gewinnen konnten. Dabei traten sie in leicht veränderter Formation an, für Patrik Wyss rückte Matthias von Arx (Kassier des NVVH) ins Team.
Birdracebericht Crex Crex 2019
Das Birdrace begann alles andere als vielversprechend. Als wir nach einer einstündigen Postautofahrt auf dem Gurnigel ankamen, hatte sich das Wetter draussen im Minutentakt verschlechtert. Um 16:30 Uhr auf dem Berg angekommen, begrüsste uns dicker Nebel, Regen und Wind. Das traditionelle Bier auf der Wasserscheide verkam so eher zu einer Pflichtaufgabe und wir machten uns bald auf ins Berghaus, wo wir unser Zimmer bezogen, die nassen Hosen durch trockene ersetzten und es uns in der Beiz gemütlich machten. Nach einem Teller Älpermaccaroni überwanden wir uns, das Race standesgemäss draussen zu beginnen, obwohl das Wetter kein bisschen besser geworden war. Auf die lange Route zum Sperlingskauz verzichteten wir aber, stattdessen horchten wir dem Waldkauz unweit des Berghauses. Um 21:00 Uhr begann das Rennen mit kräftigem Schulterklopfen und einem hochprozentigen Glücksbringer aus dem schottischen Highland, der damit einerseits bestens zum Wetter passte und uns anderseits die Brust von innen wärmte. Nach einer Stunde gaben wir auf und legten uns frühzeitig in die Federn.
Als der Wecker läutete, war es noch stockdunkel draussen, doch ein erster Blick aus dem Fenster zeigte, dass sich unsere schlimmen Befürchtungen betreffend Wetter nicht bewahrheiteten. Hätte sich die Situation nicht aufgebessert, wären wir wohl direkt ins Tal gefahren, so aber stand einem Morgen auf dem Berg nichts im Weg. Nach einem eiligen Frühstück horchten wir draussen doch noch einem Waldkauz, Kreuz Nummer eins war damit gemacht. Weiter ging es auf den Velos zur Wasserscheide und von dort zu Fuss Richtung Leiternpass. Wir waren später dran als in anderen Jahren, vielleicht zu spät für das Alpenschneehuhn, jedenfalls hörten wir es nicht und auch sonst liessen uns Arten vergangener Jahre (Mauerläufer, Steinrötel, Zitronenzeisig) im Stich. Während des Fussmarschs zurück merkten wir bald, dass kein Kleinvogelzug stattfand. Wimmelten in den letzten Jahren die Bäume teilweise nur so von Kleinvögeln, gähnte in diesem Jahr aus jedem Busch und von jedem Pfosten die grosse Leere. Auch der Himmel blieb mehrheitlich vogelfrei, es zogen weder Schwalben noch Stelzen oder Finken. Fürs Birdrace ist das nicht so schlimm, viele der Kleinvogelarten, die auf dem Zug sind, kann man auch zu einem späteren Zeitpunkt noch sehen. Trotzdem waren wir weit von der Euphorie vergangener Jahre entfernt. Als letzten Ort besuchten wir unseren Haselhuhnplatz, an dem wir zwar eine Haselhuhnfeder fanden, nicht aber ein Haselhuhn. Irgendwie passend zum Morgen.. Aber insgesamt war die Ausbeute um 9:30 Uhr, als wir auf den Velos ins Tal ratterten, gar nicht schlecht, notiert waren bereits einige wichtige Arten, beispielsweise Alpendohle, Alpenbraunelle, Heckenbraunelle, Birkhuhn, Birkenzeisig, Bergpieper, Gimpel, Fichtenkreuzschnabel, Schwarzspecht, Waldbaumläufer, Weidenmeise, Wanderfalke.
Die Fahrt ins Tal kann an sonnigen Tagen besonders für Greifvögel spannend sein, doch mit der Nebeldecke ober uns, würde der Zug an diesem Tag später – oder gar nicht mehr – einsetzen. Trotzdem gelang es uns, einen tiefziehenden Wespenbussard zu notieren, eine Art, die wir später nicht mehr sehen sollten. In Blumenstein an der Gürbe hakten wir Bergstelze und Wasseramsel ab und später auf der Velofahrt viele häufige Siedlungsarten, die man am Birdrace aber alle zuerst gesehen haben muss. Schliesslich kamen wir in der Thuner Allmend an und langsam aber sicher nahm das Birdrace Fahrt auf. Obwohl wir in anderen Jahren auch hier mehr Kleinvögel hatten (beispielsweise beobachteten wir dieses Jahr einen einzigen Trauerschnäpper, während die Art in anderen Jahren beinahe von den Büschen tropfte), war die Ausbeute betreffend Artenvielfalt richtig gut. Besonders erwähnenswert sind die Beobachtungen von Brachpieper, Wachtel und Nachtigall, aber auch Feldlerche, Klapper- und Dorngrasmücke, Braun- und Schwarzkehlchen, Steinschmätzer, Neuntöter, Girlitz, Goldammer und Dohle sind nicht in jedem Jahr eine Selbstverständlichkeit. Abgerundet wurde der Besuch der Thuner Allmend von einem Mittelmeermöwentrupp unter dem sich zwei Schwarzkopfmöwen versteckt hielten, sowie einem Sandregenpfeifer, der sich auf dem gleichen Feld aufhielt. Auf den Drahteseln ging es nun in zügiger Fahrt Richtung Bahnhof Thun, wo wir in der kurzen Aufenthaltszeit einen Habicht über den Hügeln kreisen sahen.
Die Zugfahrt nach Bern liess endlich einen Happen Essen zu, sowie eine erste Konsultierung der Artenliste. Mit 87 Arten im Gepäck waren wir plötzlich erstaunlich gut im Rennen und die Zuversicht packte uns umgehend. Zumal wir in Bern für einmal nicht auf die Grosse Schanze rennen mussten, da wir statt 15min Aufenthalt 30min hatten, weil uns eine Routenänderung bevorstand und wir einen anderen Zug als gewohnt nahmen. Die Pause auf der Schanze tat zuerst gut und mit der Felsenschwalbe hatten wir auch schnell eine der beiden Zielarten gesehen. Doch je näher die Abfahrt kam, desto hektischer wurde es unverhofft doch noch. Der so sicher geglaubte Alpensegler wollte sich nicht blicken lassen und wir wiederum wollten dies nicht wahrhaben. Kurz vor Aufbruch konnten wir doch noch ein Individuum über der Aare kreisen sehen, doch es verschwand, bevor es drei von uns sahen. In buchstäblich letzter Minute flog der Segler nochmals hinter einer Baumgruppe hervor und wir sputeten sofort Richtung Bahnhof, wo wir gerade noch so den Zug nach Ins erwischten.
In Ins angekommen, ging es für einmal nicht aufs Velo sondern mit der Schmalspurbahn weiter nach Hagneck. Nur 15 Minuten später düsten wir auf den Fahrrädern runter ins Delta, dem im Moment vielleicht besten Limikolenplatz der Schweiz. Es war unser erster Besuch im Hagneckdelta während eines Birdraces; die grossen Zahlen an Limikolenarten, die in den letzten Tagen gemeldet waren, machten einen Abstecher aber unentbehrlich. Und tatsächlich liess der einstündige Besuch des Bielersees unsere Artenliste regelrecht explodieren. Begrüsst von einem Fischadler und einem Gartenbaumläufer, notierten wir kurz darauf elf (!) Limikolenarten, darunter Leckerbissen wie Knutt, Temminkstrandläufer oder Dunkler Wasserläufer. Zurück im Zug war uns langsam aber sicher klar, dass vielleicht sogar unser Rekord (135 Arten) fallen könnte, wenn es im Seeland und Fanel nun ähnlich rasant weiterging. Der Abstecher in die Krümmi bei Kerzers strichen wir für den Besuch des Hagneckdeltas von der Route, weshalb wir direkt nach Ins fuhren. Dort harzte es dann aber spürbar mit neuen Arten. Zwar notierten wir auf dem Weg zum Gemshoger am Neuenburgersee Schleiereule und Gartengrasmücke, doch andere Zielarten (Turteltaube, Grauammer, Grünspecht, Kernbeisser, Schwanzmeise) wollten sich nicht zeigen und kosteten schlussendlich nichts als Zeit. Auf dem Gemshoger mit Blick auf den See fassten wir dann neuen Mut. Mit Alpen- und Zwergstrandläufer sahen wir zwei Limiarten, die unsere sonst schon pralle Watvogel-Liste ideal ergänzten. Der sitzende Habicht freute uns weniger, die schöne Beobachtung in Thun wurde dadurch etwas geschmälert, weil er hier allen Teams vor der Nase sass. Über den Neuenburgersee zog nun eine kräftige Brise und uns wurde bald klar, dass es so mit einigen Arten schwierig werden würde, beispielsweise der Bartmeise, mit Rohrsängern oder der Zwergdommel. Kaum hatten wir den Gemshoger verlassen piepste aber über uns in einem Baum doch noch ein Schwarm Schwanzmeisen, der Schlussspurt war nun eingeläutet.
Durch den Chablaiswald marschierten wir darauf strammen Schrittes Richtung Broyedamm, wo wir standesgemäss das Birdrace beenden. Etliche Teams standen bereits auf der windigen Mole, als wir schliesslich draussen ankamen. Es gesellten sich viele budgetierte Kreuze auf unsere Liste, für einige mussten wir allerdings mehr kämpfen, als uns lieb war. Wir notierten Regenbrachvogel, Steinwälzer, Spiess-, Löffel-, Kolben- und Reiherente. Überraschenderweise gelang uns auch noch die Sichtung eines Schilfrohrsängers, der sich trotz des starken Windes kurz in den Gräsern am Wasserrand zeigte. Ob es auch am Wind oder den vielen Teams lag, weshalb sich das Blaukehlchen in der einsetzenden Dämmerung nicht am gewohnten Platz zeigte, darüber kann nur spekuliert werden, auf jeden Fall fehlte bis zum Schluss sein Name auf der Liste. Als die Dämmerung keine Sichtbeobachtungen mehr zuliess, horchten wir im Hide einem Nachtreiher, der krächzend durch die Nacht flog. Er war damit das letzte Kreuz, das wir notieren konnten. Kurz vor 21:00 Uhr hörten wir nochmals einen Waldkauz, das Race endete damit genau wie es begonnen hatte.
Höchst erfreut stellten wir kurz darauf fest, dass wir mit 133 Arten unser zweitbestes Resultat eingefahren hatten. Was für ein toller Tag! Besonders die 16 Limikolenarten und eine gute Thuner Allmend machten am Schluss die Glanzleistung möglich. Als wir vorne im La Sauge ankamen, war die Überraschung gross als die Favoriten und Seriensieger der letzten Jahre «Leica – Birders without Borders» ebenfalls 133 Arten auf der Liste hatten. Ein geteilter Sieg, das macht doppelt Spass! Herzliche Gratulation an die Berner Giele, mit euch auf dem obersten Treppchen zu stehen, ist eine grosse Ehre. Zusammen mit weiteren Teams stiessen wir auf den Sieg an und erzählten uns gegenseitig von Highlights, Missgeschicken während des Rennens in diesem Jahr und Vorsätzen und Plänen für nächstes Jahr. Held des Tages war natürlich Matthias, der bei seiner ersten Birdrace-Teilnahme sogleich Sieger wurde. Schön warst du dabei, Mätthu!
Abschliessend möchten wir BirdLife Schweiz für die Organisation und all unseren Sponsoren für die finanzielle Unterstützung des Kiebitzes in der Schweiz danken. Der Kiebitz war übrigens eine der wenigen möglichen Limikolenarten, die wir nicht sahen, eine Förderung kann also nicht verkehrt sein… Natürlich ist der gesammelte Ertrag ist ein Riesenerfolg! Wir erinnern uns noch gut, als es ein Jahr mit gerade mal 12 teilnehmenden Teams gab. So viele waren es heuer wohl alleine auf dem Faneldamm am Samstagabend. Schön, ist das Birdrace zu einem nationalen Vogel-Grossanlass verkommen, so viele Leute zu sehen, die für eine gute Sache ein Wochenende lang durch die Schweiz jagen, macht grosse Freude! Wir freuen uns auf jeden Fall schon jetzt auf nächstes Jahr, wenn es heisst: Birdrace 2020!
Lukas Leuenberger