Crex Crex mit neuem Rekord zum Birdrace-Sieg 2021
Birdrace im Höhenflug
Das Birdrace von Birdlife Schweiz erlebt zurzeit einen regelrechten Boom. Die Rekorde purzeln, nur um dann im nächsten Jahr bereits wieder gebrochen zu werden. Auch 2021 war erneut ein Jahr der Superlative. Besonders eindrücklich ist die Zahl von 59 teilnehmenden Teams, die sich für einen guten Zweck allesamt mehr oder weniger stark verausgabten. Das Härkinger Team «Crex Crex» hat dieses Jahr bereits zum 19. Mal am schweizweiten Vogelrennen teilgenommen, nächstes Jahr feiert es sein 20. Jubiläum – kaum zu glauben. In dieser Zeit haben die vier Jungs auch erlebt, wie sie 2003 nur eines von 13 Teams waren. Doch wie Birding im Allgemeinen einen Aufschwung erlebt, hat auch das Birdrace im Speziellen starken Aufwind bekommen. Und das notabene ohne nennenswerte Regeländerungen. Nach wie vor bestehen die Teams aus drei bis vier Personen, die sich nur mit ÖV und Muskelkraft auf die Suche nach möglichst vielen Vogelarten begeben. Drei Personen müssen eine Vogelart sicher bestimmt haben, damit diese auch auf der Liste landet, Ehrlichkeit ist Ehrensache, dokumentieren ist nicht nötig. In erster Linie ist der Anlass ein Spendenanlass, die Teams suchen Sponsoren, die pro Vogelart einen selbstgewählten Betrag setzen. Und auch hier sind die Zahlen regelrecht explodiert. Während früher rund CHF 10’000.- gesammelt wurden, fliessen seit dem letzten Jahr sechsstellige Beträge in ausgewählte Naturschutzprojekte. Waren die CHF 100’000.- vom letzten Jahr ein Meilenstein in der Birdrace-Geschichte, wurde dieser Rekord heuer bereits wieder um satte 50% übertroffen und regelrecht pulverisiert. Insgesamt über CHF 150’000.- sammelten die Teams also für die Förderprojekte des Steinkauzes in der Schweiz – Wahnsinn!
Vorbereitung ist das halbe Race
Das Team Crex Crex startete für einmal nicht auf dem Gurnigel, da die frühe Anfahrt – das letzte Postauto fährt um 15:30 Uhr ab Schwarzenburg – nicht für alle Teammitglieder machbar war. Eine Alternative war schnell gefunden. Will man ganz vorne mitmischen, ist ein Besuch des Seelands bzw. des Fanels ein Muss. Zudem ist unser Teamchef Lucas Lombardo als Projektleiter für Birdlife Schweiz berufsmässig häufig im Grossen Moos unterwegs. In den Wochen und Tagen vor dem grossen Rennen klapperte er beharrlich die spannenden Ecken des Kulturlands ab, seine grossen Kenntnisse des Gebiets sind sicherlich ein unerlässliches Puzzleteil des späteren Erfolgs. So war besonders auch Kallnach in der Vorbereitung ein Thema, auf den überfluteten Flächen rasteten dort Limikolen in immenser Zahl (200+ Bekassinen, 90+ Bruchwasserläufer, etc.). Doch Tage vor dem Race war der Spuck wieder vorbei und die Reise nach Kallnach lohnte sich nicht mehr. Die Wetterprognosen vor dem grossen Tag verhiessen nicht wirklich gutes – zu schön würde es werden, da waren wir uns sicher. Der erhoffte Zugstau, der bei Regenwetter eintreten kann, würde sicherlich ausbleiben. Dennoch waren wir bis in die Haarspitzen motiviert, als der Start des Birdraces am Freitag, 03. September um 21:00 Uhr immer näher kam. Peter und Lucas machten sich bereits am Morgen auf den Weg, um den ganzen Freitag nochmals Gebiete abzuklappern und die Route definitiv einzugrenzen. Jeremias – unser Ersatzmann für Pädu – und Lukas kamen dann am Feierabend im La Sauge an, wo es erstmal ein gemeinsames Nachtessen gab und die letzten Besprechungen allmählich in die ersten Vorbereitungen übergingen.
Crex Crex Birdracebericht 2021
Kurz vor dem Start des Rennens geht es mit strammen Schritten hinaus auf den Damm. Und dann 21:00 Uhr, der magische Moment seit so vielen Jahren; geklopfte Schultern, gespannte Nerven, gesprochene Glückwünsche. Und schon geht es los: Die ersten Arten kommen rege auf die Liste, viel Aufregendes ist allerdings noch nicht dabei. Erstes Highlight ist ein Biber, der wenige Meter neben uns am Ufer entlang schwimmt. Mit Nachtreiher, Flussuferläufer und Grossem Brachvogel im Gepäck machen wir uns bald darauf wieder auf den Rückweg, um unsere Fahrräder für die nächtliche Eulenpirsch zu satteln. Hoch zu Ross also querfeldein durchs Gemüseland, die Taschenlampe im Griff, die Ohren auf Empfang. Und siehe da: Eine Schleiereule jagt wenige Meter über dem Boden in lautlosem Flug – eine herrliche Beobachtung. Am Waldrand ruft derweil ein Waldkauz einige wenige Male und schliesslich sehen wir auch noch eine Waldohreule über die Felder fliegen. Beim Limikolenspot ruft ein Rotschenkel. Jaja, den werden wir dann morgen noch sehen, denken wir und irren uns damit gewaltig. Er wird ein Blocker bleiben. Bereits nach einer Stunde Suche können wir also mit allen drei Zielarten zurück Richtung unseren Nestern radeln, das ging also schon mal gut los.
Gefühlt eben erst hingelegt, legt auch schon der Wecker los. Schlafsack verpacken, Brötchen verdrücken, Schuhe verschnüren. Wer direkt neben einer Kaffeemaschine schläft, hat am Morgen keinen weiten Weg dahin – Ressourcenoptimierung par crexcellence. Wir treten angeregt hinaus in eine zurückweichende Nacht, erste Lichtstreifen kündigen den kommenden Tag an. Wie 9 Stunden vorher marschieren wir wieder dem Broyekanal entlang Richtung Faneldamm. Der frühe Vogel fängt den Wurm und der frühe Ornithologe den Vogel. Auf dem Damm vorne dann das erste geflügelte Highlight, ein Blaukehlchen gerade schon so erkennbar im diffusen Licht. Danach tagt es endgültig und die noch einsamen Kreuze bekommen allmählich Gesellschaft auf der Artenliste. Gesellig geht es auch auf dem See zu und her, insgesamt sind wir vom uns unterbreiteten Vogelbuffet aber nicht restlos begeistert – trotz Steinwälzer, Schilfrohrsänger, Dunkler Wasserläufer. Besonders auf dem Rückweg sind wir Feld-Wald-Wiesen-Birder etwas konsterniert ab den leeren Ästen und ruhigen Bäumen, jede Art muss geduldig erarbeitet werden. Trotzdem gelingt es uns, einige gewichtige Birdrace-Arten zu notieren: Mit Schwarz-, Grün-, Bunt- und Kleinspecht gleich vier Vertreter der Hämmergeier, dazu Purpurreiher und auch ein Trupp Fichtenkreuzschnäbel, den wir besonders erfreut abkreuzen. Dann auch noch die beiden Schnäpperarten, ein Waldbaumläufer und die Meisen – leider ohne Haubenmeise, die uns tatsächlich bis zum Schluss fehlen wird.
Weiter geht es auf den Feldern, wo wir bald merken, dass Fortuna heute unser fünftes Teammitglied ist. Seit Jahren wieder einmal eine Grauammer am Birdrace, wohl bekomm’s. In Inbegriff uns darüber zu freuen, begreifen wir, dass gleich unmittelbar daneben eine Wachtel mehrmals aufgeregt aus dem Feld ruft. Welch zwei tolle Arten in weniger als einer Minute! Wir haben nun einen Lauf und können gleich noch Neuntöter, Dorngrasmücke und Nachtigall eintüten. Doch dann die Enttäuschung: der in den letzten Tagen anwesende Wiedehopf ist nicht mehr auffindbar. Dafür bei einem überschwemmten, versteckten Feld einige tolle Limikolenarten, aus denen besonders ein Sanderling herausragt. Und dann, als wir schon weiter wollen, kommt plötzlich noch ein Sichelstrandläufer ins Sichtfeld, präsentiert sich ausgiebig, bevor er wieder hinter dem Mais verschwindet. Guete Cheib! Euphorisiert ab der tollen letzten halben Stunde radeln wir weiter und können unser Glück kaum fassen, als wir den Wiedehopf doch noch auffliegen sehen. Dann also nichts wie hopp Richtung Krümmi, unterwegs trotz Hanffeld keine Hänflinge, dafür ein Temminckstrandläufer und Weisstörche. In der Krümmi schliesslich eine schnelle, einzelne Turteltaube, die sich nach dem Flug tief in einer Hecke versteckt, wo man gerade noch Rücken und Kopf sieht. Danke und weiter. Das Glück bleibt uns hold, zuerst lässt sich ein tieffliegender Wanderfalke unweit von uns nieder und wieder nach oben schauend notieren wir einen hochfliegenden Baumfalken. Auch ein Wendehals will sich auf unserer Liste verewigen, wir gewähren ihn. Artig bedankt sich dann der Steinkauz, schliesslich sackt er die immense Spendensumme ein. Scho rächt, sagen wir und drücken die Nadeln der Tachos unserer Drahteseln auf dem Weg zum Bahnhof Kerzers nach oben.
Im Zug nach Neuchâtel ist endlich Zeit da, etwas zu essen, Beine zu strecken und Zwischenbilanz zu ziehen. Landjäger rein, Liste raus, dann die freudige Überraschung: 13:44 Uhr und wir sind bei 123 Arten. Läck Bobby, damit haben wir auch schon Birdraces beendet und noch ist so viel Zeit und einige einfache Arten fehlen. Das gibt uns einen weiteren Schub, am Bahnhof Neuchâtel versuchen wir gleich davon zu profitieren. Und siehe da: Über der Stadt zieht ein Schwarzmilan gen Westen, merci bien! Dann der IC5 nach Yverdon. Wir haben zwar reservierte Plätze für unsere Velos, nur gibt es den entsprechenden Wagen nicht, der Zug wird verkürzt geführt. Es rechtigs Gmoscht haut.
Wieder an der frischen Luft erhoffen wir uns frischen Wind für die Artenliste. Den suchen wir vorne am See und sehen bald schon Fluss- und Trauerseeschwalbe. Tick, Tick. Ein Regenbrachvogel fliegt rufend vorbei. Tick. Unsere Limikolen-Netze sind prall gefüllt, einzig Grünschenkel und Waldwasserläufer fehlen noch. Dann eine Bergstelze. Tick. Schwarzkopfmöwe. Tick. Pfeifente. Tick. Es rattert richtig.
Dann die Velofahrt durch die Stadt zur Limikolenfläche Escale limicoles. Wir sind begeistert ab der Fülle an Wa(ad)tvögel, besonders weil wir die fehlenden Grünschenkel und Waldwasserläufer darunter ausmachen können. Schliesslich eine noch weitere Velofahrt zu einem überschwemmten Feld, für einmal ein Ausflug für die Katz. Also nichts wie zurück zum Bahnhof Yverdon-les-bains und via Neuchâtel nach Ins. Mittlerweile ist es 16:48 Uhr und die Liste auf 137 Arten angewachsen. Unser Teamrekord (142) und auch der Gesamtrekord (144) sind in Griffweite, so lässt sich schlussspurten.
Neue Arten sind nun ganz rar gesät, die verflixte Feldlerche will einfach nicht und auch der Gartenrotschwanz fehlt noch immer. Dann also tschüss Felder, doch halt! Da fliegt tatsächlich eine rufende Feldlerche auf. Bei absolut allerletzter Gelegenheit. Was für ein Glück… Einmal mehr! Im Fanel dann auch noch der Gartenrotschwanz, das war knapp. Via CdC-Wald geht es dann wieder auf den Damm hinaus, die Schrittzähler nahe am Anschlag. Dann ein Knutt, ja wer sagt denn, ein volles Netz geht nicht noch voller? Es passt tatsächlich noch eine auf unsere Liste… Insgesamt sind es am Ende des Tages 20 Limikolenarten – was für eine Zahl!
Mit Zwergmöwe und Heringsmöwe können wir auch an der Möwenliste noch etwas schrauben, auch diese insgesamt fünf Vertreter lassen sich sehen. Dann wird es langsam dunkel und obwohl noch nicht ganz 21:00 Uhr ist, öffnen wir unsere verdienten Feierabendbiere. Dank dem Buschtelefon auf dem Damm haben wir gehört, dass die jungen wilden Basler der Bebbi Babbler die 145 geknackt haben sollen. Wir gönnen es ihnen und uns das Bier. Machen können wir nun nicht mehr viel, obwohl rund um uns einige Teams noch herum spurten (insbesonders die eben erwähnten Bebbi Babbler). Und dann – als hätten wir heute nicht schon genug Glück gehabt – rufen tatsächlich noch Zwergdommel und Tüpfelsumpfhuhn. Was für ein Abschluss eines fantastischen Tages, wir sind überwältigt! 147 Arten und neuer Rekord, davon haben wir kaum zu träumen gewagt, obwohl seit Jahren über die eigentlich möglichen 150 Arten gemunkelt wird. Drei Arten fehlen also noch für dieses Kunststück, mit Haubenmeise, Bluthänfling, Mauersegler, Felsenschwalbe, Wespenbussard, Fischadler, Kuckuck und vielen Bergvogelarten gäbe es heuer auf jeden Fall noch reichlich Kandidaten dafür. Wer weiss, wenn uns das Glück auch nächstes Jahr wieder so hold sein sollte, wäre das doch eine tolle Geschichte für unser 20-Jahre-Jubiläum… Wir freuen uns auf jeden Fall schon jetzt.
Zum Schluss noch herzliche Gratulation an die grandiosen Bebbi Babbler, wir sind stolz, den neuen Schweizer Rekord mit euch zu halten! Und auch das Team Nordliecht möchten wir noch speziell erwähnen, mit über 16’000.- gesammelten Franken – selbstverständlich auch das neuer Rekord – gewinnen sie die Spendenwertung überragend. Danke all unseren Sponsoren und Spenderinnen, dank ihnen können auch wir CHF 4138.- zur Förderung des Steinkauzes in der Schweiz beitragen. Alle Resultate des Birdraces 2021 sowie die Berichte der anderen Teams sind hier zu finden. Und unsere gesamte Artenliste ist hier abgelegt.